Potenziale erkennen
Der Täger Nordeifelwerkstätten muss sich im Rahmen des BTHG neu aufstellen. Dafür entwickelt er seine Führungskräfte individuell weiter.
Bei den Nordeifelwerkstätten (NEW) bereiten wir uns seit einiger Zeit intensiv auf neue Anforderungen der Kunden sowie die Herausforderungen im Rahmen der Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes vor. Echte Teilhabe und ein flexibleres Leistungsangebot sind hier nur einige Stichworte. Auch Mitarbeitende haben geänderte Erwartungen, sie wollen Verantwortung übernehmen, sich aktiv beteiligen. In einem umfangreichen Organisationsentwicklungsprozess wollen wir uns vor dem Hintergrund dieses Wandels zukunftsfähig aufstellen. Einen Schwerpunkt legen wir dabei auf agile Führung und Empowerment der Mitarbeitenden.
Mit der Unternehmensberatung Contec haben wir bereits Anfang 2021 in einem Workshop Überlegungen zur zukünftigen Aufbaustruktur unserer Organisation angestellt. Als Kernpunkte haben wir flachere Hierarchien und ein größeres Verantwortungsspektrum für die Rollen in der Führungsebene unterhalb der Geschäftsführung herausgearbeitet. Durch flachere Hierarchien fördern wir die Agilität des Unternehmens. Führungskräfte werden künftig besser wahrgenommen und können eigenverantwortlicher arbeiten. Die Kommunikation wird zugleich einfacher, schneller und es geht weniger verloren. Um eine solche Neuaufstellung erfolgreich umzusetzen, liegt der Schlüssel in der Personalentwicklung.
Maßnahmen können jedoch nur dann wirken, wenn wir sie gezielt und systematisch einsetzen. Daher entschieden wir uns, mit Contec zunächst eine Standortbestimmung vorzunehmen. Konkret bedeutete das, eine umfassende Potenzialanalyse unseres gesamten Führungsteams durchzuführen.
Ziel war es, mit diesem Management-Audit zum einen die derzeitige Aufstellung unseres gesamten Führungsteams unter die Lupe zu nehmen und den einzelnen Personen Feedback zu geben. Zum anderen wollten wir fundiert erarbeiten, wie sich das Führungsteam und jede Führungsperson der NEW weiterentwickeln sollen, um die Weiterentwicklung der Organisation erfolgreich mitgestalten zu können.
An dem Audit nahmen elf Führungskräfte teil. Dazu gehörten die aktuellen Führungskräfte unterhalb der Geschäftsführung sowie drei weitere Talente. Der erste Schritt bestand darin, die Anforderungen und Potenzialschwerpunkte innerhalb eines modernen Führungsmodells der NEW zu identifizieren. Wir erarbeiteten ein Kompetenzprofil der zukünftigen Führungskraft, auf dessen Grundlage die Potenzialanalysen stattfinden konnten. In diesem Profil kombinierten wir die Vorstellungen der NEW-Geschäftsführung mit Erfahrungswerten der Contec. Bestandteile des Profils waren unter anderem Team-Empowerment, Fehlerkultur, Kommunikation, Führungsleitlinien, Konfliktfähigkeit und unternehmerische Aktivität.
Anschließend kam das Online-Assessment-Tool ProfileXT zum Einsatz, das es ermöglicht, in standardisierter Form berufsrelevante Motivationen, kognitive Potenziale und Persönlichkeitsmerkmale zu identifizieren. Mit dem Tool analysierten wir, wie gut die Führungskräfte zu dem erarbeiteten Zukunftsprofil passen. Die Teilnehmenden durchliefen das Tool zunächst online und erhielten einen Ergebnisbericht.
Danach führte Contec in enger Zusammenarbeit mit einer Coachin, die den Mitarbeitenden bereits langjährig vertraut ist, individuelle Potenzialgespräche mit allen Teilnehmenden. In den Gesprächen konnten wir die Ergebnisse des ProfileXT-Assessments einordnen und Fragen klären. Im Fokus standen die geplanten Änderungen im Rahmen der Organisationsentwicklung der NEW: Konkret erfragten wir zum Beispiel, was für die Teilnehmenden agile Führung oder Empowerment der Mitarbeitenden bedeuten.
Den Abschluss des Audits bildete ein Gruppen-Assessmentcenter, um auch das Verhalten einzubeziehen und herauszufinden, wie die Führungskräfte mit Situationen umgehen, die für die neue Ausrichtung der Organisation und künftige Anforderungen wichtig sind. Neben Rollenspiel und Gruppendiskussion sollten die Teilnehmenden zum Beispiel in einem Kurzkonzept zeigen, wie die Organisation den Auftrag der Rehabilitation in Verbindung mit wirtschaftlichen Zielsetzungen gut erfüllen kann.
Entscheidend war im Prozess die aktive Einbindung der Führungskräfte. Die einzelnen Assessment-Elemente setzten stark auf Selbstreflexion und luden die Teilnehmenden ein, ihren Anteil einzubringen. Als Ergebnis des Audits stehen nun für alle Teilnehmenden eine Potenzialeinschätzung sowie eine konkrete Entwicklungsempfehlung. Seitens der Geschäftsführung führten wir basierend darauf individuelle Entwicklungsgespräche mit den Führungskräften. Das Auditergebnis legen wir außerdem zugrunde, um ein mehrjähriges Entwicklungsprogramm für unsere Führungskräfte aufzusetzen. Es hilft uns auch, in den bestehenden Funktionen Potenziale besser zu heben und Defizite anzugehen. Ebenso dient es als Wegweiser für künftige Besetzungen.
Gestützt durch das Audit konnte das Aufsichtsgremium der NEW die neue Führungsstruktur verabschieden, sodass wir diese seit Januar 2022 in der Praxis umsetzen. Wir haben ein neues Matrix-Organigramm erstellt, bei dem uns insbesondere die Abbildung der Schnittstellen wichtig war. Alle Mitarbeitenden erhalten zudem eine neue Funktionsbeschreibung, ergänzt um eine Schnittstellendefinition: Wo beginnt meine Arbeit, wo hört sie auf, wen muss ich informieren, mit wem muss ich mich abstimmen?
Eine umfangreiche Potenzialanalyse, wie wir sie durchgeführt haben, kann für die Teilnehmenden mit Unsicherheiten einhergehen. Eine Erkenntnis im Prozess war, in Zukunft noch intensiver auf Kommunikation zu setzen, um sicherzustellen, dass alle den Zeitplan und den Gesamtzusammenhang des Vorhabens gut nachvollziehen können.
Im Ergebnis war es für die NEW ein mutiger, aber lohnender Schritt, alle Führungskräfte im positiven Sinne gleichzeitig auf den Prüfstand zu stellen. So wurde ihnen und der Organisation die Chance gegeben, sich mit den richtigen Entwicklungsschritten für die Führung in einer sich wandelnden Organisation aufzustellen. Bereits jetzt erleben wir einen intensivierten standortübergreifenden Austausch in der neu etablierten Führungsrunde.
Den Erfolg des Projekts machen wir auch daran fest, dass alle Teilnehmenden das Verfahren als für sie selbst förderlich beschrieben und sich in allen Schritten gut abgeholt fühlten.
Die Autoren
Georg Richerzhagen
ist Geschäftsführer der Nordeifelwerkstätten.
g.richerzhagen@new-eu.de
Silvia Breyer
ist Leiterin Personalmanagement und -entwicklung und Mitglied der Geschäftsleitung des Beratungsunternehmens Contec.
s.breyer@contec.de
MEHR INFORMATIONEN
Digitales Instrument zur Potenzialanalyse von Mitarbeitenden ProfileXT: