Mit Partizipation die Perspektive wechseln

Fachberaterin Oppermann, Geschäftsbereichsleiter Effert © rosenbaum nagy unternehmensberatung
Die strategische Ausrichtung einer Organisation ist die zentrale Aufgabe des Managements. Warum die Einbindung der Mitarbeitenden dabei enorme Potenziale bietet, zeigen die Strategieberater Carsten Effert und Rebekka Oppermann.
Fachkräftemangel, Digitalisierung, Coronapandemie, Energiekrise: In der heutigen sogenannten ,VUCA-Welt‘, geprägt von Volatilität (Volatility), Ungewissheit (Uncertainty), Komplexität (Complexity) und Mehrdeutigkeit (Ambiguity), sind solche Einflüsse nicht mehr die Ausnahme, sondern die Regel. Dies erschwert die Entwicklung einer langfristig ausgerichteten Strategie. Dennoch ist die strategische Ausrichtung eines Unternehmens weiterhin zwingend erforderlich. Diese muss jedoch den neuen Rahmenbedingungen angepasst werden.
Führungskräfte entwickelten Strategie häufig selbst
In früheren Strategieentwicklungsprozessen hat sich zumeist ein ausgewählter Kreis von Führungskräften im Rahmen einer intensiven, mehrtägigen Tagung zusammengefunden und zunächst die relevanten Themen diskutiert. In einem dann zum Teil monatelang andauernden Prozess wurde im Anschluss ein Strategiepapier verfasst, das dem Anspruch gerecht werden musste, zehn oder mehr Jahre gültig zu sein. Dieses Endergebnis haben die Führungskräfte dann den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zur Kenntnisnahme mitgeteilt und damit die Umsetzung angestoßen.
Mit Blick auf die heutigen, eher dynamischen Umfeldbedingungen, ist eine solche Form der Strategieentwicklung allerdings nicht mehr zeitgemäß:
- Es gibt nicht nur die eine Unternehmensstrategie – in der Vergangenheit oft gleichgesetzt mit der Markt- und Kundenstrategie, sondern verschiedene zu bearbeitende Teilstrategien und damit verbundene Themenfelder, wie zum Beispiel Personal- oder Digitalisierungsstrategie, die in Summe dann die Unternehmensstrategie bilden.
- Eine Strategie muss heute flexibel genug sein, um auf neue Ereignisse von außen und innen unkompliziert und zeitnah reagieren zu können.
- Dementsprechend verkürzen sich auch die Planungszyklen – die Halbwertzeit von Strategien liegt heute bei circa zwei bis vier Jahren.
- Ebenso müssen Strategieprozesse deutlich beteiligungsorientierter gestaltet werden, um die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter schon frühzeitig mitzunehmen.
- Neue digitale Tools bieten andere Möglichkeiten der kollaborativen Zusammenarbeit verschiedener Beteiligter und die Chance, die Schwarmintelligenz im Unternehmen zu nutzen.
Die Gesamtverantwortung für die Initiierung und Gestaltung solcher Prozesse liegt zwar immer noch beim Top-Management, aber Strategieprozesse können heute viel breiter und offener angelegt werden.
Strategieentwicklung mit dem Sprintkonzept
Diese Öffnung bietet die Möglichkeit, den Entwicklungsprozess methodisch anzulehnen an das sogenannte Sprintkonzept, das der Scrum-Methodik entlehnt ist und das rosenbaum nagy als ,StrategieSprint‘ für solche Prozesse adaptiert hat:
Der Strategieentwicklungsprozess mit dem StrategieSprint sieht zunächst die Bildung einer Steuerungsgruppe vor, deren Mitglieder das Unternehmen möglichst gut repräsentieren sollten und die den Prozess über insgesamt vier Etappen gestaltet. Zwischen diesen Etappen liegen die sogenannten Zwischensprints. In diesen Arbeitsphasen arbeiten Unterarbeitsgruppen, die zu Prozessbeginn gebildet werden und jeweils von einem Mitglied der Steuerungsgruppe geleitet werden, die einzelnen Teilstrategien aus. Bei der Bildung der Unterarbeitsgruppen sollte darauf geachtet werden, unabhängig von Hierarchieebenen sowohl fachliche Expertise als auch innovative und kritische Stimmen einzubinden.
Bei der Ausarbeitung der Teilstrategien werden zunächst für die damit verbundenen Themenfelder anzuzielende Soll-Zustände definiert und dann mittels eines Soll-Ist-Abgleichs Maßnahmen zur Erreichung des Soll-Zustand identifiziert. Darauf aufbauend wird je Teilstrategie im Anschluss ein Zielbild mit maximal fünf bis sechs Leitsätzen definiert. Wesentliche Ergebnisse werden dabei schon im Rahmen des ersten Zwischensprints erarbeitet, die weiteren Zwischensprints dienen dann vor allem der weiteren Verfeinerung der einzelnen Elemente. In den dazwischenliegenden Etappen sowie am Ende bewertet die Steuerungsgruppe den jeweiligen Arbeitsfortschritt, führt Einzelergebnisse zusammen und greift notfalls ein, wenn sich beispielsweise Zielkonflikte zwischen einzelnen Teilstrategien ergeben. Dadurch kann schon in zwei bis drei Monaten eine abgestimmte Unternehmensstrategie entwickelt werden.
Sämtliche Maßnahmen und die hierfür notwendige Ressourcen werden sukzessive in einer zu entwickelnden Strategie-Roadmap zusammengefasst und weiter operationalisiert, damit die Umsetzung der strategischen Ziele gleich sichergestellt ist.
Partizipation erhöht Akzeptanz
Ziel dieses Prozesses muss es sein, dass das Ergebnis nach seiner Implementierung in der Organisation auch gelebt wird. Mit diesem partizipativen Instrument werden von Beginn an alle Personen in den Erstellungsprozess eingebunden, sodass Hemmnisse in der späteren Umsetzung gar nicht erst entstehen können. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter fühlen sich gehört und können bereits bei der Erarbeitung wichtigen Input zur strategischen Ausrichtung geben. Der Perspektivwechsel durch gezielte Einbindung verschiedener Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und deren Kompetenzen und Blickwinkel gibt Führungskräften die Möglichkeit, diese zielbringend einzusetzen. Eine so entstandene Strategie wird von der Mitarbeiterschaft deutlich leichter angenommen und in Umsetzung und Alltag mitgetragen.
Außerdem können bei einem solchen Vorgehen auch bestehende Ergebnisse eingebunden werden, sodass das Konzept anschlussfähig ist. Ziele und Maßnahmen aus vorangegangenen Strategieprozessen verlieren nicht an Wert, weil sie nicht in einem solchen Prozess entstanden sind. Sie können stattdessen gezielt in den Prozess eingebracht werden und für den neuen Prozess als wertvolle Grundlage dienen.
Durch einen kurzen Erarbeitungszeitraum bleib das Konzept zudem so flexibel, dass die Ergebnisse durch eine regelmäßige Bewertung problemlos auf veränderte Umstände angepasst werden können.
Der Autor
Carsten Effert ist Geschäftsbereichsleiter Strategie und Geschäftsfeldentwicklung bei der rosenbaum nagy unternehmensberatung. effert(at)rosenbaum-nagy.de
Die Autorin
Rebekka Oppermann ist Fachberaterin für Strategieentwicklung und Change Management bei der rosenbaum nagy unternehmensberatung. oppermann(at)rosenbaum-nagy.de
Die rosenbaum nagy unternehmensberatung unterstützt die Veröffentlichung und Verbreitung dieses Beitrags.