Zahlungsausfall
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Insolvenzen beunruhigen die Sozialwirtschaft

© FG Trade Images/Getty Images

Insolvenzen in der Sozialwirtschaft nehmen zu. Doch nicht jede wirtschaftliche Schieflage führt gleich zum Aus. Werden die Anzeichen früh erkannt, kann das Management oft noch gegensteuern.

Obwohl sie seit Jahrzehnten als konjunkturunabhängige und krisensichere Branche bekannt ist, nehmen Insolvenzen seit dem vergangenen Jahr auch in der Sozial- und Gesundheitswirtschaft zu. Das hat vielschichtige Ursachen: Extreme Kostensteigerungen, ein eklatanter Personalmangel und veraltete Gebäude spielen eine große Rolle. In einer solchen Situation sind das Management und der Bankpartner besonders gefordert. Sie profitieren von gegenseitigem Verständnis und enger Zusammenarbeit. Frühzeitige Gespräche mit Gläubigern und Banken, eine gute finanzielle Planung und das Hinzuziehen von Experten sind für die Sanierung entscheidend.

Die Insolvenzzahlen in der Pflege waren 2023 so hoch wie in den letzten zehn Jahren nicht. Während die Insolvenzquote von Pflegeheimen von 2015 bis 2022 zwischen 0,2 und 0,5 Prozent schwankte, sprang sie im Jahr 2023 plötzlich auf 1,8 Prozent. 82 Insolvenzen verzeichnete das Statistische Bundesamt 2023 bei Pflegeeinrichtungen, 62 Pflegeheime mit durchschnittlich 49 Plätzen mussten schließen. Gleichzeitig wurden 91 neue Pflegeheime mit durchschnittlich 74 Plätzen eröffnet. Generell sind eher kleinere Pflegeheime in privater Trägerschaft von einer Insolvenz betroffen, während neue Einrichtungen meist größer sind. Laut der Plattform ‚Insolvenzbekanntmachung‘ waren nur etwa acht Prozent der insolventen Pflegeheime und ambulanten Pflegedienste in gemeinnütziger Trägerschaft.

Im Krankenhaussektor hingegen ist es umgekehrt: Rund 80 Prozent der 29 Insolvenzen aus dem Jahr 2023 entfielen auf freigemeinnützige Einrichtungen, denen wesentliche risikoverringernde Rahmenbedingungen fehlen, von denen viele Kliniken in privater und öffentlicher Trägerschaft profitieren. Nur knapp drei Prozent der Insolvenzen betrafen Kliniken in privater Trägerschaft, etwa 19 Prozent öffentlich-rechtliche Krankenhäuser. 2023 gab es somit fast doppelt so viele Krankenhaus-Insolvenzen wie im Corona-Krisenjahr 2020. Die Insolvenzquote im Krankenhaussektor lag im Jahr 2023 mit 1,5 Prozent ebenfalls deutlich über dem Durchschnitt der Vor-Corona-Jahre 2015 bis 2019 (0,8 Prozent). Im ersten Halbjahr 2024 gab es laut Deutscher Krankenhausgesellschaft acht Insolvenzanträge von Klinikträgern mit insgesamt zwölf Standorten. Für das Gesamtjahr befürchtet sie ein erhebliches Anwachsen der Insolvenzwelle.

Vielfältige Ursachen für wirtschaftliche Schwierigkeiten

Die Gründe für den Anstieg der Insolvenzen sind vielschichtig. Seit Jahrzehnten lastet ein hoher wirtschaftlicher Druck auf den Trägern. Für zahlreiche Einrichtungen hat sich die Situation zuletzt drastisch verschärft. Das jüngste ‚Trendbarometer Sozial- und Gesundheitswirtschaft‘, das die SozialGestaltung regelmäßig im Auftrag der SozialBank durchführt, zeigt die häufigsten Ursachen für wirtschaftliche Probleme in der Branche auf. Besonders stark wirken sich Belegungsrückgänge infolge des akuten Fachkräftemangels aus. Viele Einrichtungen mussten aus Personalmangel ihre Aufnahmekapazitäten reduzieren, was wiederum zu sinkenden Erträgen führte. Seit Ende 2021 sind zudem die Personal- und Sachkosten stark gestiegen, was in der Leistungsvergütung nur unzulänglich berücksichtigt wird. Etwa die Hälfte der befragten Einrichtungen erwartet, in der nächsten Verhandlungsrunde keine Vergütungssteigerungen von mehr als sechs Prozent erreichen zu können. Folglich setzen sich die in der Vergangenheit entstandenen wirtschaftlichen Defizite fort.

Auch eine mangelhafte Immobilienstruktur erhöht das Insolvenzrisiko. Bei Kliniken zeigt sich dies durch ineffiziente Wegstrecken, fehlende räumliche Flexibilität für neue Anforderungen, einen hohen Anteil von Vierbettzimmern sowie durch einen erheblichen Investitionsstau. Krankenhäuser können wirtschaftliche Einbußen wegen suboptimaler Gebäudestrukturen durch eine optimale Auslastung in einem gewissen Rahmen ausgleichen. Anders jedoch Pflegeheime: Der Zustand des Gebäudes spielt eine entscheidende Rolle für die Wettbewerbsfähigkeit und Auslastung der Einrichtung.

Vor diesem Hintergrund erwartet laut Trendbarometer fast die Hälfte der Befragten (46 Prozent) für das Jahr 2024 ein negatives Jahresergebnis.

Sanierung unter dem Schutz der Insolvenzordnung

Doch nicht immer führt eine wirtschaftliche Schieflage gleich zur Insolvenz. Sie tritt erst bei akuter Zahlungsunfähigkeit oder einer Überschuldung ein. Nach Erfahrungen der SozialBank bedeutet selbst eine Insolvenz nicht automatisch, dass der betroffene Standort keine Zukunft hat. Oft stößt die wirtschaftliche Schieflage eine bereits seit längerem anstehende Neuausrichtung des betroffenen Unternehmens an. Eine Insolvenz bietet zudem die Chance, unter dem Schutz der Insolvenzordnung in Ruhe und ohne Störfaktoren eine geordnete Sanierung aufzusetzen.

Das zunehmende Insolvenzrisiko prägt auch die Zusammenarbeit zwischen Trägern und Banken. Von zentraler Bedeutung ist das frühzeitige Erkennen erhöhter Kreditrisiken. Indizien sind ausbleibende Umsätze, eine steigende Konteninanspruchnahme bis hin zu einer dauerhaften Auslastung von Kreditlimits sowie eine schlechtere Ratingklasse.

Durch ihre Risikofrüherkennung ist die Bank in der Lage, eine erhöhte Risikolage festzustellen und frühzeitig mit dem Kunden in den Dialog zu treten, um geeignete Maßnahmen zur Risikobegrenzung einzuleiten. Kreditnehmer und Bank analysieren gemeinsam die Situation und Perspektiven. Auf dieser Basis entscheiden sie über unterstützende Maßnahmen wie Tilgungsaussetzungen oder eine Neukreditgewährung. Vorrangiges Ziel der Bank ist es, die Krisensituation zusammen mit dem Kunden zu bewältigen. Es liegt im gemeinsamen Interesse, die Einrichtungen wieder auf Kurs zu bringen, um Arbeitsplätze zu erhalten und die zu betreuende Klientel abzusichern.

Wenn eine akute Ausfallgefahr besteht, das Unternehmen aber noch nicht insolvenzantragspflichtig ist, wird geprüft, ob eine Sanierung möglich ist. Hierzu wird ein Sanierungsgutachten nach IDW S 6 von einem unabhängigen Wirtschaftsprüfer benötigt. Ziel ist es aufzudecken, woher die Krise kommt und welche Maßnahmen es ermöglichen, den Geschäftsbetrieb nachhaltig fortzuführen. Das Gutachten bildet die Grundlage für die Bank, um die Sanierung zu begleiten und gegebenenfalls neue Kreditmittel zu vergeben.

An diesem Punkt ist die Bereitschaft zur Kooperation entscheidend für die weitere Zusammenarbeit mit der Bank – und unter Umständen auch für den Fortbestand des Unternehmens. Alle notwendigen Informationen sollten der Bank vollständig zur Verfügung stehen. Je transparenter der Prozess und je enger sie eingebunden ist, umso höher ist die Erfolgschance. Auf Basis des Gutachtens beurteilt die Bank, ob die Maßnahmen realistisch sind und erfüllt werden können. Wenn eine positive Fortführungsprognose besteht, werden die Empfehlungen des Sanierungsgutachtens umgesetzt und fortlaufend überwacht.

Weitere Informationen

Mehr zum Thema Insolvenzen in der Gesundheits- und Sozialwirtschaft gibt es in ‚SozialGestaltung – der Podcast‘, dem neuen Hörformat der SozialGestaltung, der Beratungsgesellschaft der SozialBank. Bernd Heider, Abteilungsleiter Kreditüberwachung bei der SozialBank, diskutiert darin mit Susanne Leciejewski, Geschäftsführerin der SozialGestaltung, über Anzeichen für eine wirtschaftliche Schieflage, die Rolle der Banken und mögliche Unterstützungsmaßnahmen. Es werden verschiedene Möglichkeiten vorgestellt, wie Unternehmen durch eine geordnete Insolvenz zu neuem Geld gelangen und gestärkt aus einer Krise hervorgehen können.

Jetzt reinhören in die Folge „Insolvenzen in der Sozial- und Gesundheitswirtschaft: Chancen und Risiken für die Zukunft“:  https://sozialgestaltung.de/podcast/#insolvenzen

www.sozialbank.de