Pflichten nachkommen

Rechtsanwälte Strauch und Spak © Solidaris
Mitglieder von Aufsichtsorganen tragen viel Verantwortung. Wann sie für die Folgen von Verstößen haften und was sie noch beachten müssen, erläutern die Rechtsanwälte Severin Strauch und André Spak von Solidaris.
Aufsichtsgremien spielen eine wesentliche Rolle in Gesundheits- und Sozialunternehmen. Die Unternehmen der Sozialwirtschaft sind zu komplex, die rechtlichen Reglementierungen zu vielseitig, die dort bewegten Gelder zu umfangreich, als dass sie auf eine qualifizierte Aufsicht verzichten könnten. Dabei ist die Rolle des Aufsichtsorgans nicht die des am Rande beteiligten, freundlichen Zuhörers, der interessiert die Geschicke des Unternehmens verfolgt. Vielmehr ist die Aufsicht Teil der Unternehmensleitung mit vielseitigen, zum Teil klar definierten Aufgaben. Dazu zählen die Beratung, aber vor allem auch die Kontrolle und Überwachung der Geschäftsführung oder des Vorstandes.
Aufsichtsräte haften für die Folgen ihrer Fehler
Aus diesen Aufgaben lassen sich für die einzelnen Mitglieder des Aufsichtsorgans unmittelbar Rechte, aber vor allem auch Pflichten ableiten. Sie haben ihre Aufgaben ordentlichund gewissenhaft zu erledigen. Bei Verstößen haften sie für die Folgen ihrer Fehler. Da der Eigentümer oder die Mitglieder- oder Gesellschafterversammlung dem Aufsichtsorgan diese Aufgaben treuhänderisch überträgt, ist das Aufsichtsorgan auch diesen gegenüber verantwortlich. Wird das Aufsichtsorgan seinen Pflichten nicht gerecht, besteht grundsätzlich die Pflicht zum Ersatz des aus Verstößen und Fehlern resultierenden Schadens, der in einer oftmals nicht unerheblichen Geldforderung resultiert.
Offensichtliche Beispiele für Pflichtverletzungen sind die Kenntnis rechtswidrigen Verhaltens des Vertretungsorgans, wie beispielsweise des Vorstandes oder der Geschäftsführung, ohne Konsequenzen daraus zu ziehen, oder die Kenntnis der Überschuldung des Unternehmens, ohne dass insolvenzrechtliche Schritte eingeleitet werden. Auch die Kenntnis von Verstößen des Vertretungsorgans gegen die Satzung oder Geschäftsordnung, ohne Konsequenzen zu ziehen, zählen dazu. Der Verzicht des Aufsichtsorgans auf Ansprüche des Unternehmens gegen das Vertretungsorgan ist auch eine haftungsbegründete Pflichtverletzung.
Darüber hinaus ist das Aufsichtsorgan aber auch verpflichtet, Vorstand oder Geschäftsführung aktiv dahingehend zu überwachen, ob die Geschäftsführung des Unternehmens ordnungsgemäß erfolgt, die notwendigen Führungs- und Überwachungsinstrumente, wie zum Beispiel Risikomanagement- und Compliance-Systeme, errichtet sind und wesentliche Entscheidungen des geschäftsführenden Organs zweckmäßig erscheinen. Die entsprechenden Risiken muss das Aufsichtsorgan selbst identifizieren und auf deren rechtliche Konsequenzen überprüfen. Dabei kann es auch notwendig sein, insbesondere bei rechtlichen Fragestellungen, externe Berater auf Kosten des Unternehmens einzuschalten.
Quartalsweises Nachschauen genügt nicht
Neben diesen offensichtlichen lassen sich in der Praxis aber noch ganz andere Fragestellungen für Aufsichtsorgane feststellen. Zunächst einmal kann es bei Vereinen fraglich sein, ob dem faktischen Aufsichtsorgan auch per Satzung die Aufsicht zugewiesen ist. Oft handelt es sich dabei nämlich tatsächlich um einen Vereinsvorstand mit der gesetzlichen Geschäftsführungsaufgabe, welcher faktisch nur Aufsicht führt und praktisch seine gesamte gesetzliche Geschäftsführungstätigkeit auf eine andere Person überträgt, zum Beispiel eine Geschäftsführerin oder einen Geschäftsführer. Wo das Gesetz einem satzungsgemäßen Organ die Geschäftsführung zuweist, genügt das quartalsweise Nachschauen eines Aufsichtsgremiums zur Erfüllung dieser Pflicht sicherlich nicht.
Dringend zu hinterfragen ist, ob im Aufsichtsorgan die für das Unternehmen erforderliche Fachkunde existiert. So sollte das Aufsichtsorgan neben den Klassikern Wirtschaft, Recht und Steuern vor allem auch Personen mit Expertise in den Bereichen vorhalten, die den Gegenstand des Unternehmens widerspiegeln. Dazu zählen in der Sozialwirtschaft zum Beispiel Vertreterinnen und Vertreter pflegender, medizinischer oder sonstiger sozialer Berufe. Darüber hinaus bieten sich regelmäßige Fortbildungen für die Mitglieder des Aufsichtsorgans an.
Mechanismen an Unternehmensgröße anpassen
Regelmäßig zu überprüfen ist auch, ob ursprünglich geschaffene Überwachungsmechanismen, wie zum Beispiel zustimmungspflichtige Geschäfte, noch angemessen oder vielmehr auf die Unternehmensgröße oder auch auf hinzugekommene, verbundene Unternehmen anzupassen sind. Strukturen, die vor vielen Jahren ausreichend waren, müssen heute nicht mehr ausreichend sein.
Eine ausreichende Diskussions- und Kritikkultur sollte darüber hinaus selbstverständlich sein. Zu vermeiden ist, dass sich die Mitglieder des Aufsichtsorgans vielleicht aus Sorge vor einer Blamage nicht trauen, Dinge anzusprechen, die unangenehm sind. Daher sollte das Aufsichtsorgan regelmäßig, auch ohne Anlass, ohne das geschäftsführende Organ tagen, um sich untereinander frei darüber austauschen zu können, wie man die Arbeit sieht und bewertet. Ein in Anbetracht der Unternehmensgröße angemessener Turnus und die Teilnahme aller Gremienmitglieder sind hier selbstverständlich Voraussetzung. Dabei sollten die Gremiensitzungen nicht als lästig empfunden und schnell abgesessen werden.
Die Führungsebene muss das Aufsichtsorgan in angemessenem Maße informieren. Dabei sind weder Zahlenfriedhöfe noch die Vorlage kurzfristiger Tischvorlagen der richtige Weg. Der richtige Weg ergibt sich aus dem jeweiligen Unternehmen und dessen Berichtswesen. Hier empfiehlt es sich, aktiv mit der Unternehmensführung die zu übermittelnden Unterlagen zu ermitteln und festzulegen.
Versicherung für Arbeit im Aufsichtsorgan abschließen
Die Vorgaben, Aufgaben, Rechte und Pflichten für die Mitglieder von Aufsichtsorganen sind vielseitig und komplex. Dennoch besteht kein übertriebener Anlass zur Sorge: Die zuvor dargestellten exemplarischen Maßnahmen zeigen, dass ohne großen Aufwand mit bewusster und interessierter Arbeit sowie klar definierten Strukturen viele Fehlerquellen bereits von vornherein ausgeschlossen werden können. Darüber hinaus haften Mitglieder eines Aufsichtsorgans weder für die Richtigkeit der unternehmerischen Entscheidung noch automatisch als Gesamtgremium. Vielmehr muss eine individuelle Pflichtverletzung beim jeweiligen Mitglied des Aufsichtsorgans vorliegen oder nachgewiesen werden. In diesem Zusammenhang ist es ratsam und geboten, die Tätigkeit im Aufsichtsorgan mit einer ausreichenden Versicherung abzusichern, deren Kosten das Unternehmen übernehmen kann und auch übernehmen sollte.
Die Autoren
Dr. Severin Strauch ist Rechtsanwalt und Partner bei der Solidaris Rechtsanwaltsgesellschaft mbH und der Solidaris Revisions-GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft und Steuerberatungsgesellschaft.
s.strauch(at)solidaris.de
André Spak LL.M. ist Rechtsanwalt, Steuerberater und Partner bei der Solidaris Revisions-GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft und Steuerberatungsgesellschaft.
a.spak(at)solidaris.de