Liquiditätssteuerung

Die administrativen Prozesse besser strukturieren

geschäftsführender Partner Nagy, Seniorberaterin Rosendahl © rosenbaum nagy unternehmensberatung GmbH

Bei Pflegeanbietern können zwischen Leistungserbringung und Zahlungseingang mehrere Wochen vergehen. Wie sie ihre Liquidität effizient steuern, zeigen Attila Nagy und Caroline Rosendahl von der rosenbaum nagy unternehmensberatung.

Die Liquiditätssicherung und -steuerung ist eine zentrale Aufgabe des Managements. Dies gilt in besonderem Maße für Unternehmen in wirtschaftlich angespannten Situationen oder in Wachstumsphasen. Hierbei bestehen verschiedene Möglichkeiten der Innen- und Außenfinanzierung.

Aber die Liquiditätssteuerung und -sicherung umfasst deutlich mehr als die Optimierung von Finanzierungsstrukturen oder einzelner Prozesse: Es geht darum, alle Unternehmensprozesse in den Blick zu nehmen, die einen Beitrag für diese Aufgaben liefern. In diesem Beitrag beschreiben wir am Beispiel eines ambulanten Pflegedienstes die Möglichkeiten der Liquiditätssicherung durch Prozessoptimierungen und die hiervon zu erwartenden wirtschaftlichen Effekte. Denn dies ist nicht nur die günstigste Art und Weise, Liquidität zu sichern, sondern sie beeinflussen die Wirtschaftlichkeit auch unmittelbar.

Eine wesentliche Rolle spielt die Frage, wie lange es dauert, bis für eine erbrachte Leistung ein Zahlungseingang zu verzeichnen ist. Neben der auch in der Industrie gängigen Kennzahl DSO (days sales outstanding, Zeitraum von der Rechnungsstellung bis zum Zahlungseingang) spielt in der Sozialwirtschaft auch die Kennzahl eine große Rolle, bis wann eine erbrachte Dienstleistung tatsächlich fakturiert wird.

In unseren Projekten haben wir häufig Pflegedienste vorgefunden, denen die Ursachen eines vorliegenden Liquiditätsengpasses nicht bekannt waren. Die Ursachen können sehr vielschichtig sein und unterschiedliche aufbau- sowie ablauforganisatorische Einheiten betreffen. Daher werfen wir einen ganzheitlichen Blick auf die Unternehmensprozesse von der Leistungserbringung bis zum Forderungsmanagement sowie die hier potenziell vorliegenden Prozessschwächen und Lösungsansätze für die Prozessoptimierung.

Das Geschäfts- und Refinanzierungsmodell eines ambulanten Pflegedienstes sieht vor, dass die Vergütung der Leistungen erst nach der erbrachten Leistung im Rahmen einer in der Regel monatlichen Rechnungsstellung erfolgt. Hierdurch muss faktisch mindestens ein Monat der Leistungserbringung vorfinanziert werden. Hinzu kommen dann weitere Verzögerungen bei der Rechnungsstellung und seitens der Debitoren bis zum tatsächlichen Zahlungseingang.

Die wichtigsten Prozesse, die die Liquidität maßgeblich beeinflussen und am Ende zum Zahlungseingang durch die Kostenträger (= Liquiditätszufluss) führen (sollen), sind im Einzelnen:

  1. Leistungsplanung und -erbringung
  2. Leistungsdokumentation
  3. Leistungsabrechnung
  4. Debitorenbuchhaltung
  5. Forderungsmanagement und Mahnwesen

Für einen zeitnahen Liquiditätszufluss ist die schnelle Abwicklung dieser Prozesse und ein gutes Zusammenspiel zwischen den unterschiedlichen Einheiten von besonderer Bedeutung.

Nachfolgend möchten wir die einzelnen Prozessschritte mit ihren Auswirkungen auf die Liquidität eines Pflegedienstes beschreiben und die Optimierungspotenziale sowie deren Effekte ableiten.

Im Rahmen der Leistungsplanung und -erbringung trägt insbesondere die Sicherstellung einer angemessenen Rendite (ca. 2-6% unter Vollkosten) zur Sicherung der Liquidität bei, denn bei einem defizitären Betrieb käme es selbstredend zu Liquiditätsverlusten. Hierfür spielt eine durchgehend installierte operative Steuerungssystematik im Sinne der ergebnisorientierten Steuerung eine zentrale Rolle. Diese Steuerungssystematik sichert bereits ab der Vereinbarung der zu erbringenden Leistungen mit den Patientinnen und Patienten die Wirtschaftlichkeit und sorgt bei entsprechender Anwendung bei den weiteren Steuerungsschritten laufend für eine Feinjustierung der Versorgungsprozesse, um die Profitabilität sicherzustellen.

Auch die Leistungsdokumentation spielt bei der Liquiditätssicherung und -steuerung eine sehr wichtige Rolle. Alle erbrachten und abrechenbaren Leistungen müssen durch die Pflegekraft dokumentiert werden. Die Leistungsdokumentation erfolgt größtenteils über ein mobiles Datenerfassungs­gerät, teilweise aber auch auf Papier. Die Vorteile der EDV-Unterstützung zur Leistungserfassung sind vielfältig. Neben dem Effekt, dass die Leistungsdaten wichtig für die operative Steuerung und effiziente Prozesse in der ambulanten Pflege sind, bietet die elektronische Erfassung auch eine Sicherheit und Prozessoptimierung für die Leistungsabrechnung.

Die Leistungsabrechnung ist ein erfolgskritischer Prozess, denn Fehler führen zu unmittelbaren Umsatz- und Renditeverlusten. Die PDL kann durch die Softwareunterstützung in der Regel leicht feststellen, wenn geplante Leistungen nicht als erledigt markiert wurden, da diese weiterhin in den zu erledigenden Aufgaben stehen. Solche Abweichungen können Pflegedienste dann schnell korrigieren und so eine vollständige Abrechnung der erbrachten Leistungen sicherstellen und Umsatz- und Renditeverluste vermeiden. Zugleich werden die Daten bereits während des laufenden Monats plausibilisiert, sodass sie bereits zum Monatsende als elektronische Abrechnungsgrundlage zur Verfügung stehen. Anschließend ist die reine Rechnungsstellung im Idealfall nur noch der sprichwörtliche Knopfdruck. Mit dieser schnelleren Rechnungsstellung lässt sich der Zahlungseingang um circa eine Woche verkürzen. Voraussetzung hierfür ist die klare Festlegung von Fristen und die Verstetigung von Soll-Ist-Abgleichen bereits während des laufenden Monats – was zugleich ein zentrales Element der operativen Steuerung und der Renditesicherung ist. Zugleich müssen in jedem Fall robuste Vertretungsregelungen bei der Fakturierung bestehen, denn verzögerte Abrechnungen führen zu unmittelbaren Liquiditätslücken.

So zeigt eine durch uns durchgeführte Analyse, dass allein bei den Schritten 2 und 3 (Leistungsdokumentation und Leistungsabrechnung) eine ursprünglich papierbasierte und suboptimal ausgestaltete Organisation einen Aufwand von monatlich etwa 53 Mitarbeitendenstunden und einen Durchlauf von 11 Kalendertagen nach dem Monatsabschluss erforderlich machte. Die Umstellung der Leistungsdokumentation auf eine mobile Datenerfassung und die Optimierung der übrigen Abläufe reduzierte den Arbeitsaufwand auf etwa 33 Arbeitsstunden monatlich und verkürzte die Rechnungsstellung auf 5 Kalendertage.

Hinzu kommt die Besonderheit, dass die Kostenträger bei fehlerhaften Abrechnungen oft den gesamten Auszahlungsbetrag zurückbehalten, wodurch es zu weiteren Verzögerungen beim Zahlungseingang kommen kann. Ein verbesserter EDV-Einsatz verbessert auch die Prozessqualität und reduziert Fehlerquellen.

Weitere erhebliche Effekte sind auch von einer Verbesserung der übrigen Prozesse zu erwarten.

Nachdem die Rechnungen erstellt und versandt wurden, kommt der Überwachung und Sicherstellung der möglichst kurzfristigen Zahlungseingänge die nächste wichtige Rolle zu. Grundlage hierfür ist eine gut strukturierte Debitorenbuchhaltung. Üblicherweise werden die Abrechnungsdaten direkt per Schnittstelle von der Abrechnungssoftware in die Finanzbuchhaltung (Fibu) übertragen. Hierbei spielt aber auch die Struktur, wie Debitoren angelegt werden, eine wesentliche Rolle im Hinblick auf die nachgelagerten Prozesse.

Anstelle von Sammeldebitoren, wie zum Beispiel AOK Pflegekasse oder AOK Krankenkasse, sollten beispielsweise differenzierte personenbezogene Debitoren, wie zum Beispiel AOK Grundpflege Herr Meyer, AOK Krankenpflege Herr Meyer, Selbstzahler Herr Meyer angelegt werden, da so die Prozesse des Forderungsmanagements und Mahnwesens wirksam optimiert werden können. Im Forderungsmanagement sollten Pflegedienste regelmäßig, das heißt mindestens monatlich, die offenen Posten auswerten und nachhalten, welche Rechnungen beglichen wurden (Ausgleich der offenen Posten). Dies wird durch eine differenziertere Debitorenstruktur deutlich verbessert und bietet auch ein besseres Potenzial für ein automatisiertes Ausziffern der offenen Posten beim Einsatz der elektronischen Bankbuchungen. Allerdings bieten Kostenträger bisher nur vereinzelt elektronische Zahlungsavise an, die die erforderlichen Informationen in elektronisch weiterverarbeitbarer Form ermöglichen.

Die Festlegung von Mahnturnussen und Mahnstufen im Unternehmen erscheint ebenfalls sinnvoll, jedoch ist dabei zu beachten, dass die Mahnstufen für verschiedene Debitorengruppen gegebenenfalls unterschiedlich gestaffelt werden sollten. Zu erwägen ist ebenfalls, ob es juristische Hebel zur Beschleunigung des Zahlungsverhaltens gibt, wenn einzelne Debitorengruppen ihre Zahlungsfristen wiederholt nicht einhalten. Die Prozesse des Mahnwesens werden von den meisten Softwarelösungen in der Fibu oder in der Leistungsabrechnung wirksam unterstützt, sodass diese bevorzugt genutzt werden sollten. Bis die Zahlung letztendlich eingeht, können also viele Tage, Wochen und teilweise auch Monate vergehen, auch wenn die Rechnung zeitnah erstellt wurde.

Aus diesem Grund kann zur Sicherung der Liquidität ergänzend die Beauftragung eines sogenannten Factorers/Factoringgebers geprüft werden. Ein Factoringunternehmen kann in Abhängigkeit von der Bonität der Schuldner – in verschiedenen Ausgestaltungsformen – einen hohen Teil des Rechnungsvolumens (im Fall der ambulanten Pflege in der Regel deutlich mehr als 90%) bereits zwei bis drei Tage nach der Rechnungsstellung überweisen und auch Teile der Rechnungsstellung und der Debitorenbuchhaltung übernehmen. Durch diese Lösung kann der Zeitraum zwischen Rechnungsstellung und Zahlungseingang verkürzt werden (in der Regel vier bis acht Wochen) und so insbesondere bei Unternehmen mit einer angespannten Liquiditätssituation schnell Liquidität in der Größenordnung von etwa 1 bis1,5 Monatsumsätzen geschaffen werden. Zudem lassen sich die nicht unerheblichen Kosten des Factorings teilweise durch eine interne Prozessoptimierung, insbesondere die Nutzung der Potenziale durch das – je nach Modell – faktische Outsourcen von großen Teilen der Faktura und der Debitorenbuchhaltung, kompensieren. Allerdings sollte die Entscheidung für ein Factoring immer auf Basis eines fundierten Entscheidungsprozesses erfolgen und auch gegen die Aufnahme eines Darlehens abgewogen werden.

Als Fazit ist festzuhalten, dass eine Auseinandersetzung mit den administrativen und Steuerungsprozessen, die die Liquidität auf vielfältige Art beeinflussen können, die mit Abstand sinnvollste und wirtschaftlichste Möglichkeit sind, die Liquidität zu sichern und zu steuern.

 

Der Autor

Attila Nagy ist geschäftsführender Partner bei der rosenbaum nagy unternehmensberatung GmbH.
nagy(at)rosenbaum-nagy.de

Die Autorin
Caroline Rosendahl ist Seniorberaterin bei der rosenbaum nagy unternehmensberatung GmbH.
rosendahl(at)rosenbaum-nagy.de

Die rosenbaum nagy unternehmensberatung unterstützt die Veröffentlichung und Verbreitung dieses Beitrags.