Arbeitsrecht

Was Vorgesetzte fragen dürfen

Fachanwalt Vogt © Schomerus & Partner

Arbeitgebende dürfen Mitarbeitende nicht alles fragen. Fachanwalt für Arbeitsrecht Volker Vogt von Schomerus und Partner erläutert, wann Vorgesetzte Zurückhaltung üben müssen.

Das Potsdamer Arbeitsgericht hat jüngst die Kündigung einer ehemaligen Pflegekraft bestätigt, die wegen Mordes an vier Bewohnern des Oberlinhauses für schwer behinderte Menschen verurteilt worden ist. Die Tatsache, dass die Frau vier Schutzbefohlene getötet und eine weitere schwer verletzt habe, sei ein hinreichender Grund für die Kündigung durch die diakonische Einrichtung.

Bluttat wirft Schlaglicht auf Fragerecht

Bekannt wurde dieses Verfahren durch die kurios anmutende Forderung einer Abfindung in Höhe von mehr als 44.000 Euro durch die gekündigte Pflegekraft. Die Klägerin hatte geltend gemacht, dass das Oberlinhaus seine Fürsorgepflicht ihr gegenüber verletzt habe. Dazu verwies sie auf angeblich unzumutbare Arbeitsbedingungen mit zu wenig Personal und psychische Probleme, die dem Arbeitgeber bekannt gewesen seien. Das Gericht wies die Klage ab. Dennoch wirft dies ein Schlaglicht auf das Fragerecht des Arbeitgebers – insbesondere bezüglich der persönlichen Gesundheit oder psychischen Verfassung eines Bewerbers.

So ist ein Unternehmen stets bestrebt, möglichst viel über Bewerber in Erfahrung zu bringen, um die freie Stelle mit dem am besten geeigneten Bewerber besetzen zu können. Seine Entscheidung bildet sich auf Grund der Bewerbungsunterlagen, des persönlichen Eindrucks im Vorstellungsgespräch, aber auch auf Grund der Beantwortung einzelner, dem Bewerber vorgelegter Fragen. Insbesondere bei diesen gilt es, die Verhältnismäßigkeit zwischen der Befriedigung eines berechtigten Informationsbedürfnisses des Einstellenden und dem Schutz des Persönlichkeitsrechts des Einzelnen zu wahren. Dieses Spannungsfeld kann regelmäßig nur im Wege einer Einzelabwägung gelöst werden.

Fragen auf Relevanz prüfen

Der Arbeitgeber ist bei Begründung eines Arbeitsverhältnisses berechtigt, Fragen, an deren Beantwortung er ein berechtigtes und zu schützendes Interesse hat, an den Bewerber zu stellen. Dieses Interesse muss so stark sein, dass demgegenüber das Persönlichkeitsrecht des Bewerbers und dessen Interesse, seine persönlichen Lebensumstände nicht offen zu legen, zurücktritt. Danach kann vereinfacht gesagt festgehalten werden:

Die Frage muss auf Umstände zielen, deren Kenntnis für die konkrete Beschäftigung relevant ist. Je weniger dies der Fall ist, umso eher ist die gestellte Frage unzulässig. An der Beantwortung von Fragen, die geschützte Rechte oder Merkmale des Paragraphen 1 des Allgemeinen Gleichstellungsgesetzes betreffen, besteht kein berechtigtes Interesse. Fragen, die für die Durchführung des Arbeitsverhältnisses nicht geboten, sondern allenfalls nützlich sind, sind auf Grund des Datenschutzes unzulässig. Die Relevanz der Fragen für das künftige Arbeitsverhältnis bedarf einer individuellen Einzelbetrachtung.

Fragen nach Familienstand unzulässig

Die Frage nach einer Schwerbehinderteneigenschaft oder Gleichstellung ist unzulässig. Ausnahmsweise sind solche Frage zulässig, wenn Personen mit einer Behinderung für den konkreten Arbeitsplatz objektiv ungeeignet sind. Umgekehrt darf gefragt werden, wenn behinderte Stellenbewerber im Einstellungsverfahren bevorzugt behandelt werden sollen. Dann liegt es am einzelnen Bewerber, ob er die Behinderung offenlegt oder ggf. in Kauf nimmt, nicht begünstigt zu werden.

Fragen nach der Familienplanung wie Heiratsabsichten oder Kinderwunsch oder dem Familienstand eines Bewerbers sind unzulässig. Dieser ist frei, sein Privatleben zu ordnen. Zudem bestünde gegebenenfalls bei gleichgeschlechtlicher Partnerschaft die Gefahr einer Diskriminierung wegen der sexuellen Orientierung.

Anonymisierte Umfragen machen

Arbeitgeber sind nach dem Arbeitsschutzgesetz verpflichtet, im laufenden Arbeitsverhältnis durch Gefährdungsbeurteilungen zu ermitteln, welche Maßnahmen erforderlich sind, um auch psychische Leiden der Arbeitnehmer zu vermeiden. Wie die Gefährdungsbeurteilung zu erfolgen hat, richtet sich nach der Art der Tätigkeit. In der Praxis haben sich neben der Beobachtung der Arbeitsabläufe vor allem standardisierte Mitarbeiterbefragungen, teils durch externe Anbieter, etabliert. Dabei werden die Arbeitnehmer aufgefordert, in Fragebögen anonym Faktoren wie ihre Belastungssituation und Arbeitsbedingungen zu bewerten. Der Arbeitgeber hat nach Auswertung der Befragungsergebnisse Maßnahmen gegen etwaige Gesundheitsgefährdungen zu ergreifen. Das sind beispielsweise Angebote zur Stressbewältigung, Yoga oder die Erweiterung des Personals. Bezweckt wird nicht die Erhebung persönlicher Daten oder die Beurteilung der psychischen Gesundheit einzelner Mitarbeiter, sondern die Analyse der Arbeitsumwelt hinsichtlich Gefährdungen.

Nach Arbeitsumfeld fragen

Gegenüber dem einzelnen Arbeitnehmer ist der Arbeitgeber zudem verpflichtet, im Falle einer Arbeitsunfähigkeit von mehr als sechs Wochen innerhalb eines Jahres ein betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) anzubieten. Die Mitwirkung des Arbeitnehmers am BEM ist freiwillig. Ziel eines BEM ist es, gemeinsam durch Gespräche herauszufinden, inwieweit und in welchen Bereichen seiner Tätigkeit der Arbeitnehmer durch seine Erkrankung eingeschränkt ist und wie das Arbeitsumfeld oder -inhalte verändert werden müssen, um die Arbeitsfähigkeit wiederherzustellen. Dies beinhaltet ein entsprechendes Fragerecht des Arbeitgebers. Der Arbeitnehmer ist aber nicht verpflichtet, die Art der Erkrankung mitzuteilen. Vielmehr soll das Leistungsprofil ermittelt werden.

Fragen nach dem Gesundheitszustand/ körperlichen Einschränkungen sind nur zulässig, wenn die Einsetzbarkeit des Bewerbers geklärt werden soll. Zulässig sind Fragen, die darauf abzielen, obakute Krankheiten vorliegen, die der Ausübung der Tätigkeit entgegenstehen. Der Arbeitgeber darf sich nach bestehenden oder periodisch wiederkehrenden Krankheiten erkundigen, die sich auf die Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers auswirken. Er kann sich über Art der Erkrankung und den voraussichtlichen Zeitpunkt der Wiederherstellung der Gesundheit informieren, wenn es gilt, auf schwerwiegende Störungen wegen immer wieder zu erwartender Ausfälle zu reagieren. Dies schließt Fragen nach bestehenden Suchterkrankungen ein.

Fragen nach anstehenden Operationen zulässig

Nach ansteckenden Krankheiten, die zwar die Leistungsfähigkeit des Einzelnen nicht beeinträchtigen, wohl aber zur Ansteckung von Arbeitskollegen und Dritten wie Heimbewohner führen können, kann gefragt werden. Ferner wird ein berechtigtes Interesse anerkannt, nach Erkrankungen zu fragen, die einer tatsächlichen Beschäftigungsaufnahme, etwa eine geplante Operation oder Kur zum vorgesehenen Zeitpunkt entgegenstehen. Allerdings muss der Bewerber hier nur den Grund seiner Verhinderung und dessen Dauer, nicht aber die Krankheitsursache angeben.

Ausgeschlossen sind Fragen nach genetischen Veranlagungen oder Erkrankungen. Auch sind Einstellungsuntersuchungen durch den Umfang des Fragerechts des Arbeitgebers begrenzt, d.h. der Arzt darf nicht untersuchen, was der Arbeitgeber nicht erfragen dürfte. Ausgeschlossen sind auch Untersuchungen hinsichtlich eines künftigen Gesundheitsrisikos. Fragen nach ausgeheilten Erkrankungen sind unzulässig. Es besteht schon kein betriebliches Interesse an der Kenntnis überwundener Krankheiten.

Fragepflicht nicht vorhanden

Das Fragerecht des Arbeitgebers ist hinsichtlich personenbezogener Daten des Bewerbers bei der Einstellung relativ weitreichend. Allerdings ist insbesondere bei Fragen zum Gesundheitszustand und dem Privatleben des Bewerbers grundsätzlich Zurückhaltung geboten. Arbeitgeber sollten sich im Zweifelsfall in einem ersten Schritt stets fragen, ob die Antwort auf eine zu stellende Frage für die konkrete Tätigkeit relevant ist und in einem zweiten Schritt, ob diese etwaige Relevanz so hoch ist, dass der Schutz der Privatsphäre und der Daten des Bewerbers dahinter zurückstehen muss. Eine darüberhinausgehende Fragepflicht des Arbeitgebers besteht jedoch nicht. Für laufende Arbeitsverhältnisse, wie in Personalgesprächen, gelten dieselben Grundsätze. Der Arbeitgeber ist insoweit aber verstärkt auf das Feedback des Arbeitnehmers angewiesen. Der Arbeitgeber muss mit dem Arbeitnehmer über dessen Zufriedenheit und Leistungsniveau sprechen. Es ist dann jedoch Sache des Arbeitnehmers, zu entscheiden, was er über seine Gesundheit preisgeben möchte.

Der Autor:

Dr. Volker Vogt ist Fachanwalt für Arbeitsrecht und Partner bei Schomerus und Partner.

volker.vogt(at)schomerus.de

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