Nachhaltigkeitsberichterstattung
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Aufschub in Deutschland, Omnibus in der EU: Was geschieht mit den Berichtspflichten?

© Halfpoint Images

Deutschland hat die EU-Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung bisher nicht umgesetzt. Jetzt hat die EU-Kommission Änderungen vorgeschlagen. Was bedeutet das für Sozialunternehmen?

Die Europäische Union (EU) hat in den letzten Jahren eine Reihe von Regelungen zur Nachhaltigkeitsberichterstattung eingeführt, die Unternehmen dazu verpflichten, ihre ökologischen, sozialen und Governance-bezogenen (ESG) Aktivitäten transparent darzulegen. Zu den zentralen Regelwerken zählen die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD), die Lieferkettenrichtlinie (CSDDD) und die EU-Taxonomie-Verordnung. Sie zielen darauf ab, nachhaltiges Wirtschaften zu fördern, Transparenz im Hinblick auf die gesamte Wertschöpfungskette zu schaffen und verlässliche Informationen zu gewährleisten. 

Doch Deutschland und sieben weitere EU-Mitgliedstaaten haben die CSRD bisher nicht in nationales Recht umgesetzt, obwohl die Frist hierfür im Juli 2024 ablief. Ende Februar hat die EU-Kommission über ein Omnibus-Paket Änderungen an der Gesetzgebung vorgeschlagen. Wie geht es vor diesem Hintergrund mit den Berichtspflichten weiter? Was bedeutet das für das Nachhaltigkeitsmanagement von Unternehmen der Sozial- und Gesundheitswirtschaft? Und inwiefern beeinflusst es den Zugang zu Bankkrediten?

Wirtschaft und Politik fordern Aufschub

Im Dezember 2024 haben mehrere Bundesministerien ein Schreiben an die Europäische Kommission gerichtet, in dem sie eine Verschiebung und Vereinfachung der Berichtspflichten gemäß der CSRD um zwei Jahre sowie eine Anhebung der Schwellenwerte fordern. Im Januar 2025 forderte auch der Bundeskanzler die Reduzierung von Berichtspflichten. Er betonte die Notwendigkeit, bürokratische Belastungen für Unternehmen zu reduzieren und ihnen mehr Zeit für die Umsetzung zu gewähren. 

Viele Unternehmen, insbesondere im Mittelstand, aber auch zahlreiche Träger und Einrichtungen der Sozialwirtschaft, begrüßen die Diskussion, da die umfangreichen Berichtspflichten erhebliche personelle und finanzielle Ressourcen binden. Zudem herrscht Unsicherheit bezüglich der konkreten Anforderungen und der praktischen Umsetzung. 

Abwarten oder weitermachen?

In der Sozial- und Gesundheitswirtschaft ist die Situation differenziert zu betrachten. Größere Organisationen, insbesondere Kliniken, Krankenhäuser und Komplexträger, sind bereits jetzt von der Regulierung betroffen oder werden es in naher Zukunft sein. Die Berichtspflichten erfordern es, Nachhaltigkeitsaspekte systematisch zu erfassen und offenzulegen. Ein Aufschub verschafft mehr Zeit, um die notwendigen Kompetenzen, Prozesse und komplexen Datenstrukturen zu entwickeln. Auf der anderen Seite wollen viele Unternehmen die potenziellen Mehrwerte möglichst frühzeitig für sich nutzen. Denn eine vorausschauende Befassung mit den Risiken und Chancen ist nicht nur ökologisch und sozial, sondern auch ökonomisch sinnvoll. So lassen sich beispielsweise durch Energieeffizienzmaßnahmen bei Gebäuden und der Mobilität langfristig Kosten sparen.

Omnibus-Verordnung soll Anforderungen vereinfachen

Am 26. Februar 2025 veröffentlichte die Europäische Kommission Vorschläge, um die bestehenden und zukünftigen ESG-Berichtspflichten aus der CSRD, der CSDDD und der EU-Taxonomie-Verordnung zu bündeln und zu vereinfachen. Diese müssen nun im Gesetzgebungsprozess zwischen EU-Ministerrat und EU-Parlament abgestimmt werden, was mit Anpassungen einhergehen dürfte. 

Kernpunkte der geplanten Änderungen zur Nachhaltigkeitsberichterstattung

Das sogenannte Omnibus-Paket sieht weitreichende Änderungen an den zentralen Nachhaltigkeitsregulierungen der EU vor:

  • Höhere Schwellenwerte für große Unternehmen: Unabhängig von einer Kapitalmarktorientierung sollen Unternehmen nur dann CSRD-berichtspflichtig werden, wenn sie über 1.000 Mitarbeitende beschäftigen und zugleich entweder die Umsatzerlös- (50 Mio. Euro) oder Bilanzsummengrenze (25 Mio. Euro) überschreiten. Dadurch würden 80 % der bisher CSRD-pflichtigen Unternehmen ausgenommen.
  • Zeitliche Verschiebung der Berichtspflicht: Unternehmen, die ab 2025 berichtspflichtig gewesen wären, sollen einen Aufschub um zwei Jahre erhalten. Die erste Berichterstattung würde somit erst 2028 für das Geschäftsjahr 2027 fällig.
  • Beschränkung der Lieferketten-Berichtspflicht (CSDDD): Unternehmen können sich nunmehr auf die Abfrage von Informationen direkter Geschäftspartner beschränken, was im Wesentlichen den Anforderungen des deutschen Lieferkettensorgfaltsgesetzes (LkSG) gleicht.
  • Berichterstattung von KMU: Die EU-Kommission möchte möglichst zeitnah die freiwillige Berichterstattung auf Basis des „Voluntary SME-Standard" (VSME) im EU-Recht verankern und allen nicht CSRD-betroffenen Unternehmen zur Anwendung empfehlen. Diese Unternehmen sollen CSRD-verpflichteten Unternehmen nur die Informationen zur Verfügung stellen müssen, die auch im VSME abgefragt werden.
  • Sektorspezifische ESRS-Standards aufgehoben: Die bereits mehrfach verschobenen sektorspezifischen Standards für die Nachhaltigkeitsberichterstattung (ESRS) entfallen.
  • „Flexiblere“ Taxonomie-Angaben: Nur Unternehmen mit über 450 Mio. Euro Umsatz und mehr als 1.000 Mitarbeitenden müssen Taxonomie-Kennzahlen verpflichtend offenlegen; für kleinere berichtspflichtige Unternehmen gilt eine flexiblere Handhabung.
  • Prüfung des Nachhaltigkeitsberichts: Der ursprünglich vorgesehene Übergang von „Limited Assurance“ (begrenzte Sicherheit) zu „Reasonable Assurance“ (umfassendere Prüfung mit höherer Sicherheit) soll gestrichen werden, um Prüfungskosten zu begrenzen. Leitlinien für die Prüfung sollen bis 2026 veröffentlicht werden.
  • Unveränderte Kernanforderungen: Die CO2-Bilanzierung und die Anwendung des doppelten Wesentlichkeitsansatzes bleiben als zentrale Nachhaltigkeitsanforderungen bestehen.

Nachhaltigkeit als Motor der Transformation in der Sozial- und Gesundheitswirtschaft

Auch wenn sich die Einführung der CSRD hierzulande verzögert oder die Berichtspflichten abgeschwächt werden, ist die Anpassung an Nachhaltigkeitsstandards ein entscheidender Erfolgsfaktor für Unternehmen der Sozial- und Gesundheitswirtschaft. Organisationen, die Nachhaltigkeitsstandards frühzeitig und konsequent umsetzen, können langfristig wirtschaftlich davon profitieren. Nachhaltige Geschäftsmodelle unterstützen nicht nur den Klimaschutz, die Resilienz gegenüber den Folgen des Klimawandels sowie die Kundenbindung und Arbeitgeberattraktivität. Sie können auch zu besseren Kreditkonditionen beitragen.

Unabhängig von der CSRD und ihrer rechtlichen Umsetzung sind Banken in Deutschland bereits dazu verpflichtet, Nachhaltigkeitsrisiken bei Kreditentscheidungen zu berücksichtigen. Qualitativ hochwertige ESG-Daten bilden die Grundlage, um die individuelle Risikosituation eines Kunden zu bewerten. Liegen keine individuellen Daten vor, setzt die Bank Durchschnittswerte der jeweiligen Branche an. Das kann sich negativ auf die Kreditkonditionen auswirken. Daher bleiben ESG-Kriterien und Nachhaltigkeitsdaten im Rahmen von Kreditanträgen losgelöst von der CSRD relevant. 

Beratung und Finanzierung vom Branchenspezialisten

Die SozialGestaltung, die auf Beratung und Fortbildung spezialisierte Schwestergesellschaft der SozialBank, unterstützt bei der Analyse der regulatorischen Anforderungen, der Vorbereitung und Umsetzung eines Nachhaltigkeitsmanagements, der Ermittlung der notwendigen Nachhaltigkeitsindikatoren und der Erfüllung der jeweiligen Berichts- oder Zertifizierungspflicht. Im Mai und Juni bietet sie zudem eine Qualifizierung als „Nachhaltigkeitsexpert*in in der Sozialwirtschaft“ in einer Webinarreihe an:

https://sozialgestaltung.de/seminar/nachhaltigkeitsexpertin-in-der-sozialwirtschaft-webinarreihe-mit-4-terminen-im-zeitraum-08-05-05-06-2025

Ansprechpartnerin: Wibke Berlin, Leitung Nachhaltigkeits- und Innovationsberatung, nachhaltigkeit(at)sozialgestaltung.de 

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Die SozialBank unterstützt die Veröffentlichung und Verbreitung dieses Beitrags.