Altersmedizinische Netzwerke

Regionale Versorgungskonzepte entwickeln

Beraterin Kühnle, Berater Westermann © Borchers & Kollegen Managementberatung

Für das Klientel der multimorbiden älteren Gesellschaft bieten sich regionale Versorgungskonzepte an. Silke Kühnle und Kolja Westermann von der Managementberatung Borchers und Kollegen zeigen, wie Anbieter Netzwerke bilden.

Schon lange ist vielen Fachleute klar, dass eine stärkere patientenbezogene Organisation und Steuerung von gesundheitlichen Angeboten dringend erforderlich ist. Derzeit münden insbesondere Behandlungsverläufe für das Klientel der multimorbiden älteren Gesellschaft aufgrund segmentierter Finanzierung und unterfinanzierter Strukturen oft in unüberschaubaren Prozessen, die weder qualitativ noch medizinökonomisch effektiv sind. Der Aufbau altersmedizinischer Netzwerke gehört deshalb immer stärker zu den dringlichen Handlungsfeldern von Gesundheits- und Versorgungsanbietern, um die fehlende versorgungsstufenübergreifende Vernetzung im Sinne des Patientenwohls zu kompensieren.

Netzwerke entwickeln

Viele Kliniken haben bereits vor dem Hintergrund der Langliegerproblematik des Fallpauschalensystems komplexer geriatrischer Patienten in den vergangenen Jahren versucht, Angebote zur nahtlosen Anschlussversorgung aufzusetzen. Entsprechend gehören in das Portfolio vieler stationärer Akutversorger eine ambulante und stationäre (Kurzzeit-) Pflege sowie ambulante und stationäre Reha-Angebote. Doch letztlich gehen auch diese Bemühungen oft nicht weit genug, wenn es darum geht, dem alternden Menschen seine Selbständigkeit soweit wie möglich zu erhalten. Dies gilt umso mehr in ländlichen Räumen, wo die nötigen Angebote nicht in der Fläche verfügbar sind. Insofern müssen innovative Netzwerkstrukturen noch viel weiter gehen als bislang gedacht und durch Kooperationen, Digitalisierung und neue Versorgungsangebote nachhaltige Lösungen für die wachsende Altersgruppe der alten und hochbetagten Bevölkerung anbieten. Doch der Aufbau funktionierender Netzwerke ist ein komplexes Projekt mit langfristig hohem Managementaufwand.

In dem Moment, in dem ein Träger die initiatorische Entwicklung eines regionalen Versorgungskonzeptes für sich in Erwägung zieht, stellt sich die Frage nach dem Weg hin zur Implementierung. Gerade die Einrichtung eines Netzwerkes mit zum Teil sehr unterschiedlich agierenden Teilnehmenden bei häufig unklarer Rechts- und Finanzierungssituation ist diffizil, zeitaufwendig und wird für viele eine große Barriere darstellen. Diesem anstehenden Aufwand muss daher ein zu erwartender Nutzen entgegenstehen.

Bedarf identifizieren

Der erste Schritt auf dem Weg zum regionalen Versorgungskonzept ist daher eine strukturierte Analyse des möglichen strategischen Bedarfes und des Nutzens für alle Beteiligten. Es gilt zu bewerten, wie die unternehmenseigenen Leistungsbereiche und Prozesse durch eine Vernetzung im Rahmen eines regionalen Versorgungskonzeptes profitieren können, um somit die Erreichung der Unternehmensziele langfristig zu stärken. Eine frühzeitig eingeholte externe Perspektive kann bei der Identifizierung von Versorgungsbedarfen und Angebotsstrukturen unterstützen. Diese beinhaltet die detaillierte Analyse des regionalen Gesundheits- und Sozialmarktes mit Fokus auf die Versorgung älterer Menschen, den aktuellen Status-Quo und die Bedarfe der Zielgruppe sowie auch den politischen Willen und die Sicht der Kostenträger.

Partner definieren

Aus dieser Analyse resultiert in Schritt zwei ein Grobkonzept, welches erste Eckdaten zum Leistungsspektrum sowie zur Wirtschafts-, Infrastruktur- und Personalplanung beinhalten sollte. Auch das Schnittstellenmanagement sollte mitgedacht und potenzielle Netzwerkpartner definiert werden. Im Rahmen der Versorgung älterer Menschen können diese – je nach Ausrichtung und Zielgruppe – beispielsweise aus den folgenden Bereichen kommen: Ambulante und stationäre Pflege, Krankenhäuser, Sozialdienste, Beratungseinrichtungen, Hausärzte, niedergelassene Geriater, geriatrische Rehaträger, Kostenträger, Ärzte-/Versorgernetze, Ergo-/Logotherapie, Seelsorge, Hospize, Sanitätshäuser, kommunale Vertreter.

Konzept erstellen

Zusammen mit den Hauptakteuren besteht nun im dritten Schritt die Herausforderung, ein gemeinsames Versorgungskonzept zu erstellen und so auszugestalten, dass die Bedarfe der Zielgruppe im Mittelpunkt stehen und gleichzeitig alle beteiligten Akteure einen individuellen Nutzen für sich sehen. Es ist effizienter im kleineren Kreis der Hauptakteure zu beginnen, aber das Große und Ganze bereits mitzudenken. Gerade bei Vorhaben mit derart vielen Beteiligten ist es regelmäßig sinnhaft über die Gründung einer gemeinsamen Trägergesellschaft nachzudenken. Weiterhin ist zu klären, welche Angebote und Infrastrukturen genutzt werden können und welche noch aus- bzw. aufgebaut werden müssen. In den seltensten Fällen werden die vorhandenen Infrastrukturen ausreichend sein, wenn es um die Entwicklung von neuen Konzepten geht. Für das „Regionale Versorgungskonzept Geriatrie“ in Lippe wurden beispielsweise zur Zielerreichung Pflegefachkräfte aus dem Klinikum Lippe zu Gesundheitshelferinnen weiterqualifiziert, die in ihrer neu geschaffenen Rolle als Fallmanagerinnen die Versorgung von älteren, multimorbiden Menschen begleiten und durch die Verbindung des medizinischem mit dem nicht-medizinischem Sektor eine Kontinuität sowie Versorgungssicherheit für die Betroffenen sicherstellen.

Zuständigkeiten klären

Ein konkreter Maßnahmenplan mit Verantwortungsverteilung, Zeitplanung und Meilensteinen unterstützt den zielgerichteten Projektverlauf. Unabhängig von der gemeinsamen Zielsetzung oder der avisierten Netzwerkgröße ist die Entwicklung und praktische Umsetzung eines regionalen Versorgungskonzeptes über mehrere Jahre komplex. Vor allem die unterschiedlichen Interessenlagen und Handlungslogiken der Akteure stellen eine große Herausforderung dar. Die Themen Netzwerk- und Projektmanagement sowie die Kommunikation nehmen daher einen sehr zentralen Bestandteil ein und sollten klar zugeordnet und entschlossen bearbeitet werden. Für die Beteiligten gilt es deshalb zu Beginn des Prozesses zu analysieren, inwieweit diese zentrale Rolle intern ausgeführt werden kann oder eine externe Begleitung im Sinne der Erfolgswahrscheinlichkeit notwendig ist. Abhängig von der Größe kann diese Steuerung durch eine Person oder eine Lenkungsgruppe übernommen werden.

Die erfolgreiche Entwicklung und Implementierung eines regionalen Versorgungskonzeptes verlangt den Beteiligten ein hohes Maß an Geduld, Flexibilität und Kreativität ab. Mit Blick auf die Potentiale des Vorhabens sollten diese Anstrengungen aber als sinnhaftes Investment gesehen werden. Vor allem mit Blick auf die Versorgung von älteren und multimorbiden Menschen ist der Aufbau innovativer altersmedizinischer Netzwerke sinnvoll und notwendig.

Die Autoren:

Dr. Silke Kühnle ist Senior Managerin bei Borchers & Kollegen Managementberatung.

s.kuehnle(at)borchers-kollegen.de

Kolja Westermann ist Manager bei Borchers & Kollegen Managementberatung

k.westermann(at)borchers-kollegen.de

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